Schwarzarbeit-Verdacht bei einem Vorzeigeprojekt

Die „Sonnenquelle Geiseltal“ will bei ihrem Photovoltaik-Projekt in Sachsen-Anhalt ökologische Standards mit einer breiten Beteiligung von Kommunen und Anwohnern kombinieren – ein nach eigenem Anspruch in vielerlei Hinsicht modellhaftes Konzept. Ausgerechnet hier wurde nun der Zoll bei einer Kontrolle der beim ersten Bauabschnitt beschäftigen Arbeiter fündig.

Der Solarpark „Sonnenquelle“ ist eine Art Photovoltaik-Vorzeigeprojekt: Der Standort im Geiseltal, im Ortsteil Krumpa der 10.000-Einwohner-Stadt Braunsbedra (Sachsen-Anhalt) ließ sich bislang treffend mit dem Begriff „Agrarsteppe“ charakterisieren. Was hingegen der Landwirtschaftsbetrieb AVG Mücheln als Initiator der „Sonnenquelle“ hier bereits im Juli 2021 initiierte, trägt den Namen „Park“ tatsächlich mit einiger Berechtigung.

Von 250 Hektar Fläche sollen bis August 2026 in mehreren Bauabschnitten nur 140 Hektar mit Solarmodulen belegt werden, und dies zudem in Kombination mit landwirtschaftlicher Nutzung in Form von Tierhaltung. Die Firma Münch Energie aus Rugendorf, die als Generalunternehmer den Bau der Photovoltaik-Anlage übernommen hat, verfolgt hier das selbst entwickelte Konzept „Tierwohl PV“, mit dem sie bereits mehrere Projekte umgesetzt hat. Den Solarpark in Braunsbedra bezeichnet sie als „weltweit größte Tierwohl PV-Anlage“. Darüber hinaus wird das Gesamtareal in 19 „Kompartimente“ unterteilt, unter anderem um es für Spaziergänger zugänglich zu halten und neben der Agri-PV-Anlage sowie Grünfutteranbau auch rund 40 Hektar „Blüh- und Biodiversitätsflächen“ zu ermöglichen. Der Energieertrag soll von benachbarten Industriebetrieben genutzt, aber auch zu einem auf 20 Jahre festgelegten Preis an die Bewohner der umliegenden Gemeinden abgegeben werden.

Proteste und Bedenken gab es trotzdem, und bis heute debattieren der Stadtrat Braunsbedra und der Ortschaftsrat Krumpa darüber, ob die zugesagten Zahlungen von 0,2 Cent je Kilowattstunde auch hinreichend abgesichert sind. Vor diesem Hintergrund ist es umso bedenklicher für die Projektbeteiligten, dass der Ende letzten Jahres begonnene erste Bauabschnitt mit zunächst 60 Megawatt Leistung – insgesamt sollen 275 Megawatt installiert werden – nun bei einer Prüfung durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit Halle des Hauptzollamts Magdeburg auffällig wurde.

Am 25. Februar, so eine Mitteilung des Hauptzollamts, kamen 26 Einsatzkräfte auf die Baustelle, es wurden „circa 50 Arbeitnehmer zu ihrem Beschäftigungsverhältnis befragt“. Bei acht von ihnen stellten der Zoll fest, dass sie „nicht im Besitz eines erforderlichen Aufenthaltstitels waren, der sie zur Arbeitsaufnahme in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt.“ Gegen sie wurden Strafverfahren „wegen des Verdachts des illegalen Aufenthalts sowie ein Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen des Verdachts der unerlaubten Beschäftigungsaufnahme von Ausländern aufgrund fehlender Arbeitserlaubnisse eingeleitet“. Auch gegen den Arbeitgeber, den Angaben zufolge ein Unternehmen mit Sitz in Polen, wird ermittelt. Es besteht außerdem „in einigen Fällen“ der Verdacht, dass der gesetzliche Mindestlohn unterschritten wurde.

Bei der Sonnenquelle Geiseltal GmbH beziehungsweise der AVG Mücheln rechnet man, so Geschäftsführer Carl-Philipp Bartner auf Anfrage von pv magazine, wegen des Zwischenfalls aber nicht mit Verzögerungen oder Kostensteigerungen. Und der Generalunternehmer Münch Energie erklärt, die bei der Kontrolle aufgefallenen acht Arbeiter seien „durch einen Sub-Subunternehmer beschäftigt, der eigenständig für die Einhaltung aller relevanten gesetzlichen Bestimmungen verantwortlich ist“.

Münch Energie selbst, aktiv seit 2002 und inzwischen ein „Fullservice Projektpartner & Lösungsanbieter“ für Photovoltaik, Windkraft und Batteriespeicher, habe bereits mehr als 2000 Baustellen in seiner Verantwortung gehabt, es sei „bisher noch nie zu Auffälligkeiten dieser Art“ gekommen. „Für uns ist es ein unverhandelbarer Grundsatz, dass alle Beschäftigten – unabhängig von ihrer Herkunft – fair behandelt werden, was die Einhaltung des Mindestlohns, die soziale Absicherung sowie die Arbeitssicherheit auf allen Baustellen angeht“, so das Unternehmen. Kontrollen, wie die nun ins Braunsbedra durchgeführte, seien „wichtig, um geltende Sozialstandards abzusichern“.

Den verantwortlichen Auftragnehmer haben man „um Aufklärung gebeten“. Weitere Schritte will Münch Energie prüfen, „um solche Vorfälle in der Zukunft zu verhindern. Als verantwortlicher Generalunternehmer verpflichten wir uns, zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts beizutragen und alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften sicherzustellen und die Rechte aller Arbeitnehmer zu schützen.“

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen